Ein Buch und seine These
Derzeit arbeite ich an einem Buch. Seine These ist radikal und einfach.
Jedes Dasein ist gleich erbärmlich weil gleichermaßen unerfüllt. Auch das der Weisen und Heiligen, der Genügsamen und Heiteren. Warum ist das so?
Unser Leben ist ein Ich-Tumult, ein beständiges "ich spüre, ich denke, ich will". Doch diese Fülle ergibt kein erfülltes Leben. Denn nur was befriedigt, ist Erfüllung.
Befriedigung und Erfüllung sind immer nur Prozess, wir wünschen hingegen, dass sie bleiben, dass sie ein Lebenszustand werden. Dies ist der Grund, weshalb wir immer weiter streben und nie Befriedigung finden: weil sie nicht bleibt. Zurecht heißt es Erlösung, Erfüllung, Erlöstheit, Erfülltheit gibt es nicht.
Jenseits des Tumults im Innen ist nichts in uns, keine Kraft, kein Licht. Nur Finsternis und Stille. Daher das Gefühl von Leere. Wer sie nicht spürt, nie spürt, ist wie ein Goldfisch im Glas, der nie verzweifelt, nie leidet, der nicht bemerkt, wie es um ihn steht.
Die sich zufrieden nennen, sich gefallen im Goldfischglas, leben weder erfüllt noch befriedigt. Denn wenn sie es täten, warum können neue Reize sie kitzeln, Begierden und Wünsche in ihnen wecken, die sie glaubten, nicht zu kennen? Doch nur, weil sie betäubt den Mangel nicht spüren, der auch in ihnen herrscht.
Darum ist unser Leben verzweifelte Suche, ist Sucht. Wir suchen nach dem, was wir nie finden. Auch wollen wir nicht ewig leben, wir wollen endlich leben, wir wollen endlich Erfüllung finden, die bleibt. Wer wollte hingegen ein ewiges Leben, das nie erfüllt sein kann?
Darum können wir schwerlich sagen, wir hätten je genug gelebt. Denn die Genugtuung ist immer flüchtig. Wir können nur sagen, wir hätten genug, frustriert vom unerfüllten Leben. Soll man ihm darum ein Ende setzen? Auch wenn der Tod Erlösung brächte, wir können sie nicht mehr empfinden. Er ist kein Ausweg, nur ein Ende. Nur der Trotz bleibt zum Weiterleben, trotz dass wir nie Erfüllung finden.
Die ganze Philosophie und Mystik ist erfolgloses Ringen um Erfüllung, die erhalten bleibt. Die Psychologie will uns heilen, doch wir sind nicht krank, wir sind, wie es natürlich ist. Die Religion setzt eifrig in uns ein göttliches Licht, eine Kraft, um die unerträgliche Leere zu füllen. Sie alle scheitern an derselben Wahrheit: Erfüllung, Befriedigung und Erlösung sind nie von Dauer. Sie können es nicht sein.
Mein Buch wird ein Triptychon. Das Wichtigste steht in der Mitte, der Rest ist Peripherie. Der erste Teil behandelt das Suchen, der zweite das aussichtslose Ringen um den Verbleib der Erfüllung, der dritte den Verlust. Und damit zeigt sich das perpetuum mobile unseres Lebens: warum wir streben, hoffen, uns mühen, zugleich verzweifeln, erschöpft sind, leer und insgeheim den Tod sowohl fürchten als auch ersehnen.
Dies ist kein kranker Zustand, den es zu heilen gälte, sondern liegt in unserer Natur: nach einem Zustand zu streben, der erlöst ist, befriedigt, erfüllt. Und diese Empfindungen gibt es nur als Übergang, als Prozess.
Das alles ist Unsinn? – Es würde mich freuen. Dann wäre noch ein Ausweg möglich. Gerne soll man mich widerlegen.